Welcher Züchter von Wiener-Hochflugtauben kennt sowas nicht, oder hat diese Situation nicht schon erlebt?
Vor allem im Herbst, wo die Tage bereits kürzer geworden sind, kann es eben passieren! Ein schöner, noch sonniger Nachmittag ist halt schon verlockend. Ich weiss es ist vielleicht schon etwas spät, aber ich wage es, meine Tauben noch schnell zu starten. Länger als zwei Stunden werden sie ja kaum fliegen, so meine Überlegung! Und, dann kommt es halt anders als man denkt.
15:45 Uhr starte ich meinen Stich mit 20 Tauben. Zwei bewährte Tiere sind besendert mit AviRingen.
Die Grafik zeigt uns diesen Flug meiner Wienerhochflieger vom 24. Oktober 2024
Wie wir sehen, fliegen sie in eine Höhe von rund 500 m, was an diesem Nachmittag bereits mit Punkt Höhe gleichzusetzen ist. Nach einer länger als erwarteten Flugzeit von 3 Stunden landet der Stich, aber nur fast. Acht Tauben starten durch und erheben sich nochmals, unter ihnen, die Taube mit dem blauen Messring. Der Trupp fliegt nochmals bis zur Höhe von 300 m.
Die Uhr zeigt jetzt 18:45 Uhr, der Minutenzähler der Ihr steht auf 3 Std. und es beginnt auch bereits zu dämmern. Die Gruppe fliegt in wechselnden Höhen, macht aber keine Anstalten zu landen. Nein im Gegenteil, sie zieht immer wieder etwas höher und in der Zwischenzeit ist es dunkle Nacht geworden. Eine neunte Taube, deren Fehlen ich bereits vermutet hatte, gesellt sich zur von unten schwach beleuchteten Gruppe. Danach landen doch drei Tauben bereits in der Dunkelheit, um später in den beleuchteten Schlag einzuspringen. Die restlichen sechs machen immer wieder Anstalten anzufliegen und ziehen in Höhen zwischen 30 und 70 m über die Häuser. Aus Erfahrung weiss ich ja eigentlich, dass ich in solchen Fällen praktisch nie eine Taube verloren habe und am Morgen alle wieder eintrudeln würden. Nun setzt auch noch recht starker Regen ein, ich kapituliere und breche meine visuelle Überwachung des Luftraumes ab.
Ich habe mich schon immer gefragt, was tun Tauben in einem solchen Fall? Fliegen Sie einfach weiter bis zur Erschöpfung, oder landen sie in Kürze auf den umliegenden Dächern. Sicher war ich mir eigentlich, dass sie die Nacht nicht durch fliegen würden. Dann, nach 7 Stunden 30 Minuten Flugzeit, wird aus der blauen zackigen Linie auf meinem PC ein ruhig verlaufender, horizontaler Strich, mit der Höhenanzeige von 40 m. Die Taube sitzt! Irgendwo auf einem Haus am Hang. 40 Meter hohe Gebäude gibt es in unserem Dorf kaum!
Nun habe ich immerhin eine Antwort auf meine, seit Jahren gestellte Frage!Sicher werden andere, länger fliegende Rassen wie Tippler oder Serben, ohne weiteres auch eine ganze Nacht durchfliegen können. Für Wiener Hochflieger, eine ganz beträchtliche Leistung von der ich so noch nie gehört habe. Also eine weitere, für mich neue Erkenntnis, die ich dank AviRings erleben darf.
Der Morgen danach, 8:00 Uhr, neblig und trüb. Laptop aufgeklappt, Programm gestartet und siehe da die Taube wird mir auf dem Bildschirm angezeigt, in 11 Metern Höhe und aus der Verbindungsstärke zuschliessen sitzt sie in nächster Nähe. Spurt eines alten Mannes die Treppe hoch zur Dachterrasse und siehe, da hockt mein Täuber 23 A 88 und begrüsst, nicht mich, aber eine eben anfliegende Täubin gurrend und fit, als wäre nichts geschehen.
09:00 alle sechs Spitzensportler sind einzeln zurückgekommen, vor dem Einflug versammelt und begehren Einlass.
Beim Entfernen des AviRings habe ich eine um einiges leichtere Taube in Händen. Heute, zwei Tage später, fühle ich beim Anlegen des neuen Messringes, bereits wieder die gewohnte Muskulatur. Interessant wäre noch das Gewicht vor und nach so einem Monsterflug zu kennen. Und, und, und?
Hauptsache, es ist wieder mal alles gut gegangen. Alle Protagonisten sind, bis auf einen verletzten Fuss, heil zurück. Auch meine Nerven haben den Strapazen, die meine halt doch tollen Tauben ab und zu verursachen, standgehalten!