Besonderheiten meiner Taubenflüge 2019
Wenn ich die Zeilen von Roby Lung über seine Flugerfahrungen und Abschiedsflüge, wie er sie nennt, nochmals übergehe, so kommt mir doch auch einiges in den Sinn, was sich in diesem Jahr auch bei meinen Taubenflügen, nicht wie gewohnt, zugetragen hat. Es veranlasst mich, meine Gedanken dazu, nieder zu schreiben.
Obwohl mein Zuchtierbestand, bzw, die Zusammenstellung der Zuchtpaare, für 2019 praktisch unverändert blieb, ich also mit einer homogenen und der, dem Vorjahr ähnlichen Jungmannschaft rechnen konnte, zeigten doch schon die ersten Jungtauben eine extreme, wirklich ungewohnte Fluglust. Während all den Jahrzehnten waren meine Erfahrungen so, dass Jungtauben, nachdem sie den Truppflug beherrschten, die ersten Tage grossräumig umherstreiften um dann allmählich ihre Hochflüge zu beginnen und zu steigern.
2019 war alles anders. Kurz nach der Eingewöhnungsphase zogen die heurigen Jungwiener sofort hoch, wie ich es sonst nur von erfahrenen Tauben gewohnt war. Auf den noch „leichten Flügeln“ liessen sie sich hochtreiben. Selbst bei gut eingeflogenen Jungtauben, macht mich solches Verhalten stutzig, führt doch zu rasantes Aufsteigen nicht selten zum Abdrehen, also Verschwinden des gesamten Stiches, auf Nimmerwiedersehen. Meine persönlichen Sensoren schrillten auf Alarmstufe rot!
Obwohl ich weiss, das Wiener auf jegliche Art von Dropper nur wenig, oder gar nicht reagieren, entschloss ich mich, meine Mischlinge aus Felsentäubern x Wiener Hochflugweibchen zu starten.
Vorausschicken muss ich, dass ich ein persönliches Projekt mit Felsentauben am Laufen hatte und noch habe. Obwohl ich absolut kein Befürworter von Kreuzungstauben bin, züchtete ich diese Mischlinge bereits im Dezember. 2 überzählige Felsentäuber paarte ich mit Wienertäubinnen um Erfahrungen über das Verhalten und die Flugeigenschaften solcher Mischlinge zu machen. Ich war oder bin ab der Flugleistung dieser Nachzuchten, angenehm überrascht. Sie waren schon früh, brillante Hochflieger. Die Flug-Gene der Wiener drückten eindeutig durch, gepaart mit der Wildheit ihrer blauen, eben wilden Väter. Zudem sind die silbernen Schimmel, mit ihrer aufrechten Haltung, dem Erbe der Mütter, erst noch schön anzusehen. Alle einheitlich was Farbe und Figur anbetrifft. Bei ihren höchsten einstündigen Flügen, verlor ich sie jedoch nie aus den Augen und sie erwiesen sich als zuverlässige Flieger, auch im kleinen Verband.
Für einen Rettungsversuch kamen mir nun, diese bereits erfahrenen Tauben, wie gewünscht. Nach ihrem Start, zogen auch sie schnell in die Höhe und die über ihnen kreisenden Jungtauben reagierten wie ich es erhoffte. Jedenfalls liessen sich diese 25 Piepser herunterziehen und vereinten sich mit den „Rettungstauben“ Es besteht ein Video auf YouTube:
welches diese erfolgreiche Aktion dokumentiert. Wie dieser Flug sonst ausgegangen wäre, darüber kann ich nur spekulieren. Nicht auszudenken, wenn ein Wanderfalke in dieser Höhe dazwischen geschossen wäre und diese noch sehr jungen Tauben verjagt hätte.
So endete ein Flug, der ungewohnten Art immerhin positiv!
Auch bei der späteren Brut konnte ich den selben fast unnatürlichen Aufwärtsdrang feststellen.
Als Gegensatz erhielt ich Anrufe von Zuchtfreunden, die Erfahrungen mit nicht hochsteigenden Tauben machen mussten und mich um Rat baten. Hier jeweils Ratschläge zu erteilen, ist so ziemlich ein Ding, der Unmöglichkeit. Vor allem, weil es sich um Tauben handelt, die nicht aus meiner Zucht stammten. Unterschiedlicher können ja unsere Sorgen nicht sein!
Bei meinen Tauben weiss ich, dass sie exzellente Hochflieger sind, sie haben es ja vielfach bewiesen, durch gute Resultate und durchaus zufriedene, spätere Halter meiner Nachzuchttauben.
Aber 2019 war alles ausser der gewohnten Norm! Nach dem rasanten Aufstieg blieben die Tauben, mittlerweile wie besagt 2 Stiche à ca. 30 Tauben, oft weg. Eine, zwei Stunden unsichtbar, je nach Wetterlage, im blau oder grau des Himmels verschwunden. Meine Nerven wurden oft recht überstrapaziert, obwohl ich meinen Tauben-Typ als sehr zuverlässig kannte. Sie kamen selten, wie ich es gewohnt war, geschlossen zurück. Meistens in nur kleinen Gruppen oder einzeln, rasend schnell auf den Schlag fallend. Von meinen beiden Stichen verlor ich innert einer Woche je 5 Tauben, die wirklich abgedreht sein mussten. Oft dauerte es 2 Tage bis alle Tiere wieder da waren, Eine einzelne Taube konnte ich in 50 Km Entfernung, bei einem Brieftaubenzüchter, abholen.
Ab und zu kehrten auch verletzte Tauben zurück! Ganz sicher das Werk eines Falken, der sein Revier weit weg haben musste. Gesehen habe ich ihn eigentlich nie, weil sich immer alles in grosser Höhe und erst nach längerer Flugdauer, abspielte.
Anfang Juni gelang es uns, einen gültigen Wertungsflug zu protokollieren. Samu Baumgartner, der zufällig bei mir vorbei schaute, konnte ich überreden, einen als Trainings-Flug gedachten Flug, zu werten. Es wurde ein mittelmässiger, eben Alltags-Flug, aber immerhin, er zählte für die Meisterschaft. Dazu mit noch wirklich jungen Tauben. Es sollte mein einziger Wertungsflug für 2019 bleiben,
In der Zeit danach, wurde es sogar unmöglich, die Tauben fliegen zu lassen. Ein Falkenpaar patrouillierte dauernd in unserer Umgebung. Das Weibchen war sehr aggressiv und trotzdem, hielten sich die Verluste in Grenzen. Aus meiner Absicht im November-Dezember noch, wie üblich, einen Flug abnehmen zu lassen, musste ich, trotz der oft guten Wetterbedingungen, wohl oder über verzichten. Auch jetzt noch, gegen Ende des Jahres, schaut das Falkenweib täglich vorbei und überfliegt meine, Freiflug geniessende Felsentauben.
Aber immer noch versuche ich die Gründe, die zu den aussergewöhnlichen Hoch-Flügen geführt haben zu eruieren. Hätte unser Zuchtfreund Roby Lung nicht praktisch gleiche Erfahrungen gemacht und davon berichtet, Hätte er nicht gleiche Taubenstämme wie ich, ich hätte das Flugjahr, ohne weitere Gedanken daran zu verlieren, abgehakt.
Lange dachte ich an die Nackentropfen, die ich meinen Tauben, nach einer Milbeninvasion im Juni, verpasst habe. Wäre es möglich, dass das Nervengefüge der jungen Tauben dadurch beeinflusst wurde. Ich weiss es nicht! Unser hochgeschaukeltes Klimaproblem will ich jetzt nicht auch noch hinzu ziehen und verdammen! Sicher könnten Luftschichten, mit starken Temperaturdifferenzen, ein Grund gewesen sein.
Wir werden es vermutlich nie genau wissen! Aber ich freue mich auf den nächsten Frühling, wenn wieder eine Wolke junger Wiener Hochflugtauben, über meinem Haus ihre Schwenker und Kreise zieht.
Peter Berger