Ein Bericht zu einer doch speziellen Flugsaison, von unserem Zucht- und Vereinsfreund Roby Lung Ingwiller / Elsass!
Diese Flugsaison 2019 war von der Wetterlage eigentlich ganz gut: Sonne, blauer Himmel, gute Thermik fast von April bis Ende September. Ein tolles Verhältnis zum Fliegen außer ein nasser Oktober der sich teilweise im November fortsetzte. Die Hitzewelle hat sich wochenlang hingezogen, was lästig sein kann, mit Konsequenzen für manche menschlichen Organismen, wie auch für unsere fliegenden Tauben. Tatsache bleibt das eine anhaltende Hitze aufgrund von Sauerstoffmangel, ein Formfresser sein kann für Sportstauben. Umso vernünftiger ist es in diesem Fall, die Tauben frühmorgens in die Frische freizulassen. Die Wiener vertragen eigentlich die Hitze gut und haben sich deshalb während der dicken Hitzewelle bei uns im Elsass gut durchgeschlagen, außer der Flugzeit die nicht schlecht war aber auch nicht die Beste, im Vergleich was sie sonst zeigten. 2019 hat mir mehr emotionale Ladung gebracht als jede andere Flugsaison in den letzten 10 Jahren. Besonders die extreme Flughöhe an jedem Flug vom Frühjahr bis Ende Sommer war für meine Vorstellung das Beste was meine Tauben an klassischen Wienerflügen gezeigt haben: Schnelles aufsteigen auf Punkthöhe, harmonisch und eleganter, beweglicher Flug, mit werfen, und kantiges links-recht fliegen. Es sind genau diese Original- Eigenschaften die ich sehr zu schätzen weiß. Manche ,Züchter legen keinen Wert auf diese “Stilelemente“, oder sagen es, weil ihre Wiener Stämme das nicht so perfekt zeigen wie gewünscht. Andere wiederum Denken eher an Leistung und legen mehr Wert auf lange Flugzeiten und benutzen dafür Langflugwiener. Jedem seiner Sache! Persönlich ist es für mich schon eine Weile her, dass ich hinziehende, lange Flugzeiten von 5 Stunden und mehr nicht mehr mag. Besonders nicht bei meinen Tauben weil ich mich sonst nicht genug konzentrieren kann auf die reine Flug-Ästhetik. Gerade das, was mir eben am besten gefällt, bei dem Wiener Hochfliegern. Deshalb war es auch der Grund, warum ich mich von meinen Ciung Hochfliegern getrennt habe und keine Budapester mehr züchte und fliege, wie in den 1980er Jahren.
Jeden Tag konnte ich während der Hitzewelle bereits um 6h30 ein Team hochjagen. Die Tauben waren die Hälfte der Flugzeit in Punkthöhe und flogen um die 2 bis 2 ½ Stunden aber weniger als die 3 bis 3 ½ Stunden, was sie sonst in der Lage sind, zeigen können. Warum das dieses Jahr so war, kann ich nicht genau erklären, Hitze? Fütterung? Das Abbauen der Tauben nach dem ersten Abschiedsflug vielleicht eher ? Immerhin habe ich doch 3 Preisflüge gemacht die mir, vom Flugverhalten, sehr gut Gefallen haben. Das schnelle Aufsteigen in 5 Minuten und die große Höhe hat wunderbar gestimmt, nur die Zeit war knapp für einen ersten Platz im Wettbewerb. Das gehört auch zum Preisfliegen denn es kommt vor, dass die Umstände nicht immer zu einem extra Ergebnis führen. Wer Hochflug sagt, spürt Adrenalin. Es ist ein Glück, wenn alles gut abläuft. Wenn die Tauben täglich extrem hoch gehen macht mir das natürlich Freude. Aber wenn die auch noch unsichtbar werden, (was ich besonders hasse und fürchte). Wenn ein Abschiedsflug am Horizont steht, stresst mich das, und dann bekomme ich es manchmal mit der Angst zu tun. Um Angst zu haben, muss man etwas Gutes zu verlieren haben. In meinem Fall war es ein ganzer Stich von 26 Elite-Tauben in Vorbereitung zum Preisfliegen, mit der ganzen Arbeit im Hintergrund. Deshalb musste ich mein Management überprüfen, indem ich mir überlegte, mit welchen Mitteln ich meine Tauben in sichtbarer Höhe halten kann. Auch die verschiedenen Aspekte des Warum und Zustandekommens dieses ersten Abdrehfluges zu verstehen, wenn Überhaupt was zu verstehen ist! Wahrscheinlich muss ich das nicht gut kapiert haben, denn 5 Wochen später hatte ich einen zweiten Abdrehflug. Besser gesagt ein Wegfliegen, denn der Verluste von 4 tauben war eigentlich gering. Es war doch ein Schock. Deshalb habe ich ab dann ständig versucht, meine Tauben mit verschiedenen Mitteln zu bremsen. Das unsichtbare Fliegen in gewissen Momenten hat mich besonders geärgert. Ich habe keine Freude daran und hasse wenn meine Tauben unsichtbar herumwandern. Mein guter Freund Dr Thierry Roy, Tierarzt, der auch Wiener fliegt in Martigues / Sud Frankreich ist einer der besten Flugtauben-Kenner Frankreichs und Autor des Buches“ Die Kunstflug und Hochflugtauben“ ( Les pigeons de vol acrobatique et de haut vol). Er sagte mir, dass wenn seine Wienern sich unsichtbar aufhalten, droppt er sie sofort herunter, mit 15 spielende Kelebek, was einwandfrei funktioniert. Aus Tradition habe ich noch nie Dropper eingesetzt um Hochflieger anzulocken aber ich fand den Gedanken eigentlich sehr gut. Ein abdrehendes Taubenteam, egal ob es sich um 3 oder um 30 handelt, egal aus welchem Grund, ob die Tauben verloren gehen, oder teilweise mit Glück zurückkehren, hat immer was mit der Flughöhe und der großen Form zu tun, denn normalerweise hauen die Tauben nicht ab. Die Greifvogel-Verfolgung kann man auch als Grund dazuzählen. Eigentlich habe ich noch nie viele Abschiedsflüge gehabt vielleicht 2 -3 in den letzten 10 Jahren. Diese Flugsaison hatte ich 2 innerhalb 5 Wochen und fast einen Dritten im Oktober
1. Abdrehflug: 12. Juni 2019 starte ich 26 meiner Wiener, Abstammung Krombach, morgens um 6:45. Die steigen innerhalb 5 min in Oberluft und zeigen den klassischen links, rechts Zickzack- Flug. Sie behielten diesen Rhythmus etwas über 1 Stunde, aber ich spürte, wie sie dann sehr nervös wurden und dann immer höher und weiter in die Ferne zogen, bis sie endgültig verschwanden. Das einzige, was ich sagen kann, ist, dass sie eng gruppiert waren und nicht verstreut wie bei einem Angriff. In diesem Fall schaue ich immer nach der Stelle, an der sie zuletzt aus dem Blickfeld verschwanden und habe den Eindruck gehabt einen Raubvogel gesehen zu haben, aber wegen der Entfernung würde ich das nicht schwören. Trotzdem habe ich den ganzen Tag, keine einzige Taube mehr gesehen. Am Abend kehrten 7 Tauben getrennt zurück. Am nächsten Tag 3 Tauben und danach nichts mehr. Ich hatte 10 wiederkehrende und 16 fehlende Tiere, von 26.
2. Abschiedsflug: 19. Juli um 7h30 Uhr jagte ich 25 Tauben auf. Gleich zeigten die eine wirklich ungewöhnliche Art und Weise nach oben zu klettern, vertikal wie im Aufzug immer höher und höher bis außer Sicht. Ich glotze lang nach oben, aber wenn ich nach 1bis 2 Stunden Überhaupt keine Tauben mehr sehe, ist was faul. Nach 3 Stunde immer noch keine Tauben einzeln oder verzottelt am Himmel. Ich verliere die Hoffnung, und nach 4 Stunden gebe ich auf. Bin moralisch fertig, besonders nach einem ersten Abdrehflug, der mir immer noch auf dem Magen liegt. Verzweifelt und müde von der Suche, lege ich mich ein bisschen hin. Nach Bedenken über all diese schönen Flüge. Diese 25 Wiener, Abstammung und Nachzucht der Berger-Sorte, mit der ganze Trainingsarbeit die da hinter steckt, dachte ich am liebsten ganz mit dem Hochflugsport aufzuhören. Gegen 12h30 kommt meine Frau nach Hause und sieht an meiner Begräbnis-Figur sofort, das etwas schief gelaufen ist. Ich erzähle ihr den Verlust meinen Tauben, sie aber lächelt und kündigt an, dass draußen meine Tauben herumfliegen. Ein Wunder! 20 von den 25 Tauben drehen tatsächlich um das Dach und landen endlich nach 4 Std 45min. Am nächsten Tag kehrte eine andere Taube zurück. Noch 4 verloren, aber glücklich das ich nicht das Schlimmste erlitten habe. Ich kann nicht sagen was passiert ist, aber weil der Stich zusammen aufgetaucht ist, vermute ich eher das die Tauben unsichtbar oben drüben waren, eventuell auch etwas weiter abzogen. Ab diesen Flug entschloss ich mich endlich, den Rat meines Freundes Thierry Roy zu folgen. Zum Teufel die Tradition, wenn es sich um das Wiedersehen meiner Tauben handelt. Da ich keine anderen Rasse habe zum Droppen habe ich dafür einen zweiten Stich jüngerer Wiener hochgelassen. In 10 Minuten waren sie in mittlerer Höhe, das reichte aus und die ersten glitzernden Pünktchen erschienen über ihnen. Dann engagierte sich eine atemberaubende Show mit der ich nicht rechnete. Der eine Stich am Hochsteigen der andere am Sinken in einem tanzenden Ballet mit prächtigen Flugfiguren bis zum Zusammenschmelzen beider Stiche. Einen Pulk von nahezu 50 Wienern tummelte sich geschlossen weiter so, aber zumindest in sichtbarer Höhe.
3. Fast-Abschiedsflug: 9. Oktober 8h starte ich mit 21 Wienern nach 8 Tagen Pause wegen schlechtem Regenwetter. An diesem Tag war das Wetter auch nicht sehr gut, graue durchziehende Wolken aber doch spielbar, so glaubte ich. Habe nur vergessen dass die Wetterlage sich schnell verschlechtern kann. Die Ankunft von tiefen nebligen Wolken und schon hatten wir es. Ich hätte nie gedacht, dass die Tauben unter diese Bedingungen doch hoch gehen. Einige tiefere Wolken und schon waren die Wiener darin absorbiert. Von Zeit zu Zeit, weil sie etwas tiefer gingen, konnte ich sie diffus wie Geister im Nebel wahrnehmen. Der Himmel wurde plötzlich in wenigen Minuten tief schwarz mit starkem Wind und ein heftiger 20 Minuten langer Regen der die Tauben schließlich total verschluckte. Später nach Aufheiterungen, war keine Spur mehr von Tauben zu sehen. Vielleicht aus Intuition oder Vorahnung, habe ich mich auf das Einfallsreichtum, die Intelligenz und den Orientierungssinn meiner Tauben verlassen, was dieses Mannschaft mehrmals zuvor gezeigt hat, denn es handelte sich um die zurückgekommenen Berger-Tiere vom 2. Abschiedflug. Gegen 15 Uhr kam eine Gruppe von 7 Tauben geschlossen, 2 stunden später noch 8 Stück ebenfalls geschlossen und sehr müde. Vor der Nacht fand ich noch 3 im Taubenschlag. Die 3 Vermissten kamen am nächsten Tag, also hatte ich sie alle wieder.
Wiederum hab ich festgestellt, dass ein Jahr nicht dem anderen gleicht und diese Flugsaison 2019 werde ich nicht so schnell vergessen. Ich habe mehr Tauben verloren dieses Jahr durch das Abdrehen (etwas 22) als durch die Krallenkompanie geschnappt wurde. ( 4 Tauben getötet und gerade so viel, leicht verletzt ). Und doch! Gibt es was Schöneres für Hochflug und Kunstflug Liebhaber, als seinen Tauben beim Spielen, Rollen, Hochfliegen zuzusehen. Ich würde ohne Zweifel sagen, es gibt was Schöneres: Sie alle wieder gesund und munter im Taubenschlag zu haben. Tauben die aus den Krallen des Falkenkonsortiums immer wieder ausgewichen sind, einen Abschiedsflug durchgemacht haben und retour gekommen sind, verdienen den Respekt des Züchters. Nachdem sie stundenlang gegen die Elemente gekämpft haben, ihren Weg gesucht haben, erschöpft aber durchgehalten haben bis nach Hause, ist es doch die größte Freude, die uns die Tauben machen können. Gerade diese mutigen, intelligenten Flieger müssen für die Fortpflanzung eingesetzt werden und gehören mit Sicherheit in die Zucht. Es ist natürlich üblich das diese Tauben nach der „ Tradition des Wienerfluges“ im Spät- Herbst und Winter nicht den Gefahren der Greifvögel unnötig ausgesetzt werden, nun in Ruhe im Schlag überwintern und auf die nächste Zuchtsaison im Frühling warten.
Mit den neu geborenen 2020 jungen kann es dann wieder losgehen, in der Hoffnung bessere Resultate als mit meinen 3 folgenden Preisflügen 2019 im DHC und CFPCHV zu erreichen:
413pkt / 133 Minute / 3.14 index
402 “ / 160 “ / 2.15 “
345 “ / 103 “ / 3.34 “ Robert LUNG